Ein Junge aus Helenabrunn erzählt ...

Auszug aus „Leben auf dem Dorf“

Skizzen aus Helenabrunn in den 50er und 60er Jahren von Ulrich Nieting

 

Ulrich Nieting, geboren in Nordfriesland,  ist in Helenabrunn aufgewachsen.  Der spätere Stadtjugendpfleger von Kempen am Niederrhein hat in einem Büchlein seine Jugenderlebnisse niedergeschrieben.

 

Mit Erlaubnis des Autors dürfen wir daraus zitieren:

 


Nach den Schulaufgaben verbrachte ich die Nachmittage mit meinem Freund Rudi Stauten auf dem Bauernhof seines Onkels Hannes Leyers. Ein wahres Spielparadies für uns Kinder. Wir kletterten in der Scheune ins Heu und auf Stroh, banden lange Seile zu Schaukeln zusammen oder bauten uns Höhlen aus Strohballen. Ich hatte immer Angst, die Höhle könnte zusammenbrechen, aber es ist nie etwas passiert.
Im Sommer und Herbst war der große Bongert mit seinen vielen Obstbäumen unser Ziel. Wir kletterten in die Bäume und aßen, was wir bekommen konnten: im Mai die „Maikirschen“ und im Juni Klaräpfel, später Pfirsiche, Pflaumen, Mirabellen und Sternrenetten. Als Dankeschön mussten wir den Bauern auf dem Feld helfen. Beim Kartoffellesen liefen wir Kinder hinter dem Kartoffelroder her, und lasen die ausgeworfenen Kartoffeln in Weidenkörbe und schütteten sie auf die grüne Schlagkarre, eine vom Pferd gezogene Holzkarre mit großen Speichenrädern und einer Achse.
Zur Kaffeezeit am Nachmittag brachte Frau Stauten, die Schwester von Leyers Hannes geschmierte Weißbrote oder Weißbrot und Schwarzbrot zusammen, das Weißbrot dick geschnitten, mit „guter Butter“ und Rübenkraut. Über Händewaschen vor dem Essen sprach keiner. Wir aßen mit den dreckigen Fingern und es schmeckte lecker. Zum Trinken gab es „Muckefuck", Lindes-Kaffeeersatz aus dem Paket mit den blauen Punkten, später auch Karo-Kaffee mit viel Milch.

Gekocht wurde auf dem Bauernhof in der großen Küche auf einem silberfarbenen Kohleofen mit einem Handlauf. Auf dem Ofen waren mehrere Feuerstellen, die durch Auflegen von verschieden großen Eisenringen der Topfgröße angepasst wurden. Geheizt wurde mit Briketts, in Ziegelsteinform gepresste Kohle. Über dem Herd hing eine Wäscheleine. Hier wurden die Küchenhandtücher getrocknet.
Beim Mittagessen stellte Frau Stauten die Bratpfanne mit Kartoffeln und einen Topf mit Gemüse auf den blank gescheuerten Tisch. Jeder nahm sich sein Essen mit der Gabel auf den Teller. Fast zu jedem Essen gab es eine weiße dicke Mehlschwitze. Der Bauer und sein Knecht Gerd aßen von Blechtellern. Ich ging zum Essen und wenn ich auf dem Klo ein großes Geschäft machen musste nach Hause, denn das Essen mochte ich nicht und auf dem Bauernhof gab es nur ein Plumpsklo. Ein kleiner Raum am Kuhstall mit einer grünen Holztüre und einem ausgeschnittenen Herz. In einer Holzbank war in der Mitte ein  Loch. Schaute man in das Loch, sah man in die Jauchegrube, in der auch der Mist von Schweinen und Kühen zusammenlief. Es stank fürchterlich und es wimmelte von Fliegen. Eine schlechte Angewohnheit war, dass alle Männer ihr kleines Geschäft auf dem Hof an der Hauswand verrichteten, egal, ob sich fremde Leute auf dem Hof befanden oder nicht.
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Das kleine Buch ist in einer begrenzten Auflage erschienen und kann für 5 EUR über den Autor unter folgender Adresse bezogen werden.

 

Ulrich Nieting
Johannes-Hundt-Straße 18
47906 Kempen